IX. Sicherheit für
alle – Bürgerrechte stärken
Freiheit der Bürger und soziale Demokratie brauchen Sicherheit für alle. Die neue Bundesregierung wird deshalb mit allen rechtsstaatlichen Mitteln für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger sorgen. Die Bürgerrechte werden ausgebaut, die politischen Beteiligungsrechte erweitert. Die Förderung der Toleranz, die Achtung von Minderheiten und Stärkung ihrer Rechte sind weitere Leitziele unserer Politik. 1. Innere Sicherheit Unsere Leitlinie heißt: entschlossen gegen Kriminalität und entschlossen gegen ihre Ursachen. Dabei werden wir
Strafrecht kann Ursachen von Kriminalität nicht beseitigen; deshalb sind eine gute Beschäftigungs- und Sozialpolitik wie auch eine an humanen Werten orientierte Gesellschaftspolitik unabdingbar. Um Ursachenbekämpfung auch mit kriminalpräventiven Instrumenten weiter voranzutreiben, gründen wir ein Deutsches Forum für Kriminalprävention. Wir werden Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie kriminalpräventive Räte nachhaltig unterstützen. Die neue Bundesregierung wird einen periodischen Sicherheitsbericht auf
wissenschaftlicher Grundlage erstellen. |
2. Schutz der Schwachen durch Recht Rechtsstaat bedeutet auch: Schutz der Schwachen durch Recht. Deshalb nehmen wir uns besonders der Opfer an und wollen
Deshalb ächten und bekämpfen wir
3. Rehabilitierung und Entschädigung Die Rehabilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts bleibt fortdauernde Verpflichtung. Die neue Bundesregierung wird eine Bundesstiftung "Entschädigung für NS-Unrecht" für die "vergessenen Opfer" und unter Beteiligung der deutschen Industrie eine Bundesstiftung "Entschädigung für NS-Zwangsarbeit" auf den Weg bringen. Nachteile in der Rentenversicherung und bei der Rehabilitierung von NS-Opfern werden durch eine gesetzliche Ergänzung des geltenden Rechts ausgeglichen. Wir werden Entschädigung und Rehabilitierung von DDR-Unrecht so weit wie möglich verbessern und Härten beseitigen. 4. Bündnis für Demokratie und Toleranz Die neue Bundesregierung wird die politische Auseinandersetzung mit und die Bekämpfung von Rechtsextremismus zu einem Schwerpunkt machen. Dabei werden wir ein Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt, für die Umsetzung der Werte und Garantien unseres sozialen und demokratischen Rechtsstaates schaffen. 5. Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste Wir werden die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die zur Zeit in mehreren Gremien stattfindet, in einem Kontrollgremium zusammenfassen und dessen Befugnisse ausweiten. Wir setzen uns in der EU zur Stärkung der Inneren Sicherheit und zur Gewährleistung der Bürgerrechte folgende Ziele:
Wir setzen uns mit Nachdruck für eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik ein, die die Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention beachtet. Ziel der gemeinschaftsrechtlichen Regelung muß eine ausgewogene Verantwortungs- und Lastenverteilung sein. Während der deutschen Ratspräsidentschaft werden wir vorschlagen, die Kompetenz für alle Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik bei einem Mitglied der Europäischen Kommission zu bündeln. Wir erkennen an, daß ein unumkehrbarer Zuwanderungsprozeß in der Vergangenheit stattgefunden hat und setzen auf die Integration der auf Dauer bei uns lebenden Zuwanderer, die sich zu unseren Verfassungswerten bekennen. Im Zentrum unserer Integrationspolitik wird die Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts stehen. Dabei sind insbesondere zwei Erleichterungen umzusetzen:
In beiden Fällen ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abhängig. Wir werden Einbürgerungen auch dadurch erleichtern und beschleunigen, daß wir auf überflüssige Verfahren verzichten. Zur Förderung der Integration sollen auch die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzen, das Wahlrecht in Kreisen und Gemeinden erhalten. Wir werden die im ausländerrechtlichen Vermittlungsverfahren nur unzureichend umgesetzte Reform des eigenständigen Ehegatten-Aufenthaltsrechtes zu Ende führen. Dazu werden wir die allgemeine Wartefrist von vier auf zwei Jahre herabsetzen und die Härtefallklausel so gestalten, daß unerträgliche Lebenssituationen der Betroffenen angemessen berücksichtigt werden können. Im übrigen werden wir den Novellierungsbedarf im Ausländergesetz mit Rücksicht auf internationale Vereinbarungen überprüfen. Die bisherige Anwendung des Ausländergesetzes hat in einer geringen Zahl von Einzelfällen zu Ergebnissen geführt, die auch vom Gesetzgeber nicht gewollt waren. Wir werden künftig alle gesetzlichen und administrativen Möglichkeiten (§§ 32, 54, 30 Abs. 4 AuslG und die darauf bezogenen Verwaltungsvorschriften) nutzen, in solchen Fällen zu helfen. Sollte sich das geltende Recht als zu eng erwiesen, werden wir eine Änderung des § 30 Abs. 2 AuslG ins Auge fassen. Die Dauer der Abschiebungshaft und des Flughafenverfahrens werden im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft. Wir wollen gemeinsam mit den Ländern eine einmalige Altfallregelung erreichen. Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel der Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe überarbeiten. Eine zukunftsweisende Politik zur Drogen- und Suchtbekämpfung umfaßt die Elemente Aufklärung, Prävention und Hilfe für Drogenabhängige sowie Strafverfolgung des kriminellen Drogenhandels. Das Betäubungsmittelgesetz wird mit dem Ziel überarbeitet, Modelle wie in Hamburg oder Frankfurt rechtlich möglich zu machen. Zudem werden die Initiativen des Bundesrates (Modellversuche zur ärztlich kontrollierten Originalstoffvergabe mit wissenschaftlicher Begleitung, ähnlich wie dies in der Schweiz durchgeführt wurde; Rechtssicherheit für staatlich anerkannte Drogenhilfestellen) aufgegriffen. Die Substitution durch Methadon oder Codein wird unterstützt. Damit wird zugleich dem Beschaffungsdruck und der Beschaffungskriminalität entgegengewirkt. 9. Weitere Vorhaben zur Rechtspolitik Besonders wichtige Vorhaben sind vor allem:
Des weiteren wollen wir das Verbraucher- und Mietrecht sowie das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten verbessern, ein Jugend- und U-Haftvollzugsgesetz schaffen sowie Aufgaben und Befugnisse des Sicherheitsgewerbes gesetzlich regeln. Die neue Bundesregierung will Minderheiten schützen und ihre Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe erreichen. Niemand darf wegen seiner Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder sexueller Orientierung als Schwuler oder Lesbe diskriminiert werden. Dazu werden wir ein Gesetz gegen Diskriminierung und zur Förderung der Gleichbehandlung (u.a. mit der Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Rechten und Pflichten) auf den Weg bringen. Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen werden berücksichtigt. Wir wollen einen effizienten und bürgerfreundlichen Staat. Deshalb werden wir Bürokratie abbauen und den Staat zum Partner der Bürgerinnen und Bürger machen. Leitbild ist der aktivierende Staat. Wo Bürgerinnen und Bürger gesellschaftliche Aufgaben in Eigeninitiative und gesellschaftlichem Engagement lösen, soll der Staat sich nicht an ihre Stelle setzen, sondern sie unterstützen. Damit gerade die Kommunen in unserer Zeit des schnellen und tiefgreifenden Wandels den Menschen bürgerschaftliche Heimat und ein stabiles soziales Umfeld sowie unmittelbar erlebbare demokratische Gestaltungsmöglichkeiten garantieren können, wird die neue Bundesregierung die kommunalen Handlungs- und Entscheidungsbereiche respektieren und stärken. Die neue Bundesregierung wird die Bundesverwaltung modernisieren; dazu wird eine besondere Stabsstelle unter Leitung des BMI eingerichtet, die die dafür geltenden Verfahrensabläufe und Rechtsvorschriften überprüfen und vereinfachen sowie die Regelungsdichte verringern soll. Zu den Zielen der Staatsmodernisierung gehören insbesondere:
Wir werden die Beschäftigten an den Reformschritten angemessen beteiligen und die notwendigen Reformen sozialverträglich umsetzen. Das Beteiligungsrecht der Gewerkschaften bei beamtenrechtlichen Neuregelungen wird auf weitere Verbesserungen hin überprüft. Zur Dienstrechts- und zur Versorgungsrechtsreform wird ein Erfahrungsbericht erstellt. Beamtenversorgung und Rentenrecht sind im Einklang fortzuentwickeln. Die neue Bundesregierung wird eine umfassende Justizreform (3-Stufigkeit, Aufwertung der einheitlichen Eingangsgerichte, Reform der Gerichte und der Instanzen, Vereinfachung und Angleichung der Verfahrensordnungen) durchsetzen. Die Aus- und Fortbildung der Juristinnen und Juristen werden wir unter Berücksichtigung der Anforderungen einer modernisierten Rechtsordnung reformieren. Wir wollen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. Dazu wollen wir auch auf Bundesebene Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid durch Änderung des Grundgesetzes einführen. Effektiver Datenschutz im öffentlichen und im privaten Bereich gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine demokratische und verantwortbare Informationsgesellschaft. Die notwendige Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an die Richtlinie der Europäischen Union soll kurzfristig umgesetzt werden. Durch ein Informationsfreiheitsgesetz wollen wir unter Berücksichtigung des Datenschutzes den Bürgerinnen und Bürgern Informationszugangsrechte verschaffen. Die neue Bundesregierung wird die finanziellen Rahmenbedingungen für den Sport verbessern, der Sportwissenschaft stärkere Aufmerksamkeit schenken und auch ein Sonderförderprogramm für Sportstätten nach den Kriterien des "Goldenen Plans Ost" auflegen. Wir setzen gleichermaßen auf die Förderung des Breiten- wie des Spitzensports. Durch Mitwirkung der Sportorganisationen im Rahmen des Naturschutz- und Baurechts soll ein fairer Interessenausgleich zwischen Sport im Freien und dem Natur- und Umweltschutz gesichert werden. |
Inhaltsübersicht
|